Über die Künstlerin

“Mit meiner Kunst eröffne ich einen persönlichen Raum, in dem die Kontrolle leise ist und sich Intuition, Spielfreude und Sehnsucht verbinden dürfen.”
CORINNA THIER – Seelenschnipselbilder
Den Bildern der Malerin Corinna Thier begegnet man, statt sie nur zu betrachten. Sie nimmt uns mit auf lange Spaziergänge durch ihre Seelenspielwiesen und weckt unsere kindliche Bereitschaft, jeden Augenblick etwas Neues zu entdecken. Ohne erst die Intention der Künstlerin verstehen zu müssen, lädt sie uns ein zu suchen und zu finden. Sie betritt für uns als eine Pfadfinderin neue Wege und findet ungewohnte Sichtweisen auf vertraute Dinge. Große Heldenreisen und kleine Fluchten bieten uns die Möglichkeit auszusteigen aus dem Zwang zur Funktionalität im Alltag.
Die bunten Gemälde, Collagen und Druckgrafiken entstehen aus intuitiv gestalteten abstrakten Farbflächen, Verläufen und Überlagerungen. Diese inspirieren die Künstlerin dann zu Erinnerungsschnipseln und Gedanken, die sie mit Eindrücken, Beobachtungen und Fundstücken aus dem Alltag zu weitläufigen Phantasiewelten verwebt. Neben Gemälden auf Leinwand entstehen auch Zeichnungen und Skizzen, diese werden zu Künstlerbüchern gefasst oder sie werden als Pigmenttintendrucke durch Übermalungen, Einzeichnungen und Collagen zu neuen künstlerischen Unikaten. Auch ihre Gedichte beeinflussen die Werke und sind neben kleinen Objekten und Interventionen im Raum Teile des Gesamtwerkes. Die Künstlerin begleitet das Publikum wie in einem Theater in fast unendliche Fantasiewelten.
In Corinna Thiers‘ künstlerischer Arbeit ist stets der Wunsch spürbar, zu erzählen und zu kommunizieren. So entstehen im besonderen Werkprozess des „Wunschbildatelier“ Seelenbilder der zukünftigen Besitzer. Es sind keine klassischen Porträts, sondern sie zeigen Geschichten und Innenwelten des Porträtierten wie in einem Kaleidoskop der Erinnerungen. Diese intime Komplizenschaft zwischen Künstlerin und Porträtiertem ist eine Form des erweiterten Kunstbegriffs. Der Porträtierte fühlt sich den Betrachtern gegenüber nicht ausgestellt, sondern eher wie ein Künstler der ein Werk präsentiert. Wenn jeder Mensch sich in seiner Welt als Mitschöpfer versteht, wird die Gesellschaft, möglicherweise, eine Bessere.
Ein Text von Michael Staab, Ausstellungskurator und Konzeptkünstler, Köln 2025.